V#17/18 Junge Stimmen
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V#17/18 Junge Stimmen

Die V#17/18 Junge Stimmen wurde von Daniela Egger herausgegeben. Sie erschien 2006.

Prolog: Jeder Text muss enden
Daniela Egger

Irgendwann ist es unwiderruflich da, das Ende, der dramatische Bogen des Textes neigt sich, seine Bilder fügen sich zu einem Ganzen und entlassen den Leser wieder in seine eigene Welt. Das Ende ist das zentrale Moment einer gelungenen Erzählung. An ihm entscheidet sich, ob der Text weiter lebt, ob seine Sprache Bestand hat und die Bilder lebendig bleiben – über den Rand des letzten Wortes hinaus. Am Ende ist der Zweifel überwunden, der am Anfang noch auf der Lauer liegt, das Ende kommt erst nach den Unsicherheiten, den Entscheidungen, und vor allem nach dem geduldigen Abarbeiten eines Textes, der seiner eigenen Dynamik folgt. Wer vorher aufhört, hat den Text nicht beendet. Hat sich möglicherweise zu wenig Gedanken über das Ende gemacht. Denn es war schon da, lange bevor der erste Satz auf dem Papier stand. Eine Erzählung beginnt mit dem Werfen einer Schnur, ein Gewicht an ihrem Ende, damit sie der Schwerkraft folgt. Ein Senkblei auf dem Weg durch Gestein, das sich abtragen lässt, in dem sich schürfen lässt und aus dem sich etwas schaffen lässt. Material findet sich in der Dunkelheit, wohl kaum je hat eine gute Erzählung von Anfang an im gleißenden Sonnenlicht dagestanden, fertig und klar. Das Senkblei wandert nach unten, sinkt und lotet aus, was es an brauchbarem Gestein findet, immer in Erwartung des Grundes, auf den es zusteu-ert. Solange aus der Tiefe Material ans Tageslicht kommt und dort in Sprache verwandelt wird, ist der Grund schon mitgedacht. Keine Sprache kann ins Bodenlose gehen.

Ein ewig bemühtes Bild ist nur der verzweifelte Schriftsteller und sein dumpfes Starren auf ein leeres Blatt Papier, Synonym für den Beginn. Für die Angst und den Zweifel. Der Zweifel, ob überhaupt eine Geschichte sich hergibt, sich erzählen lassen will. Die Idee, einer Geschichte Herr werden zu können. Nein, man wird einer Geschichte nicht Frau, das geht nicht. Denn zum Wort Frau gehört die Ahnung oder Hoffnung, ein Text möchte sich entwickeln, darauf warten, end. lide zu seiner Schrifwerdung zu gelangen. Oder sogar die Idee, dass Geschichten wie Ungeborene auf ihre Geburt warten, wenn die Schreibende nur ihre Sinne für sie öffnet. Wer einer Geschichte Herr wird, schürft nach Gestein und Material, aus dem sich formen lässt, was vorher nicht vorhanden war, auch nicht als idee. Was steht nun am Anfang des Schreibens, am Anfang nicht nur eines leeren Blatts, sondern eines leeren Lebens? Mit all der Energie und den Ideen, im Aufbruch der Jugend, vor Augen unbeschriebene Blätter, wohin man sich dreht? Es ist das Ende, das den Blick begrenzt, die Energie bün-delt, kein Leben kann ins Bodenlose gehen.

Im vorliegenden Band kommen am Anfang Stehende zu Wort. Junge Literatur aus der Region und darüber hinaus, junge Stimmen unter 25 oder kurz danach. Was ihren Blick fesselt und wie sie, was sie sehen, in Sprache oder Bilder setzen. In Erzählungen, Prosa und Fotos, in Satire und Theater. Eine Literaturzeitschrift mit Texten vom Anfang, dem das Ende innewohnt. Die jungen Autoren und Autorinnen haben sich mit ihren Texten auseinandergesetzt, haben sich selbst ausgesetzt und sind dem Senkblei in die Dunkelheit gefolgt. Die Texte, die dabei zu Tage gefördert wurden, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Es ist eine Reise in eine lebendige literarische Welt, voller starker Stimmen und junger Blicke.

Aus dieser Reihe tanzt, aber nur was das Alter seines Urhebers angeht, der Text „Zwischenwasser“ von Christian Futscher. Als Träger des diesjährigen Literaturstipendiums gebührt ihm ein Platz in der Anthologie von Literatur Vorarlberg. Der Text selbst allerdings reiht sich mühelos ein in die Atmosphäre, die unter den jungen Schreibenden herrscht. Er richtet einen Blick zurück auf seine Jugend in der Heimat, ein Besucher in seiner eigenen Vergangenheit, nicht losgelöst, ganz und gar nicht, sondern ebenso verstrickt wie liebevoll zugewandt den Menschen und Dingen, die seine Herkunft bestimmen. Denn auch der Anfang ist dem Ende immanent. Man wird ihn nicht los, und wenn man ihn sich noch so oft von der Seele schreibt. Aber es lohnt sich in jedem Fall, damit zu beginnen.

Mit Beiträgen von Julia Sing, Laura Scherer, Manuel Tiziani, Bettina Fabjan, Carola Kilga, Kerstin Schudo, Augustin Beckmann, Konstantin Schütz, Maximilian Unschlecht, Scarlett Mangelberger, Axel Öland, Andreas Horvath, Dominik Blaas, Christian Feurstein, Verena Rossbacher, Simon Ganahl, Magdalena Hopp, Constantin Göttfert, Maximilian Lang, Christian Futscher, Roger Vorderegger.