
Eva Schmid, Neben Fremden
Christina Walker liest ,Neben Fremden‘ von Eva Schmidt
Ein Lob der Langmut
„Andere hatten einen Plan. Ich hatte keinen, hatte nie einen gehabt“, sagt Rosa. Sie stellt es nüchtern fest, ohne Wertung, ohne Vorwurf. Und im Grunde ohne Bedauern. Eva Schmidt zeichnet die Protagonistin ihres jüngsten Romans „Neben Fremden“ mit einer Lakonie und Langmut aus, die verblüffen und zutiefst berühren. Dabei ist es kein einfaches Leben, das hier skizziert wird.
Rosa, schon pensioniert von ihrer Stelle als Altenpflegerin, muss den überraschenden Tod ihres Freundes Fred verkraften. Auch Don, ihr vierbeiniger Begleiter, schwächelt altersbedingt. Die menschlichen Kontakte sind überschaubar: eine ehemalige Arbeitskollegin, der sie nicht viel zu sagen hat, und eine lieblose Mutter, die versucht, Rosa mehr und mehr zu vereinnahmen.
Rosas eigener Sohn hat seit Jahren nichts von sich hören lassen. Alle Versuche, ihn zu finden, blieben erfolglos. Die Nachbarn halten Rosa ebenso auf Abstand. Doch da ist das Wohnmobil, das Fred ihr geschenkt hat. Um aus der Enge ihrer Wohnung und der Sommerhitze am See zu fliehen, fährt Rosa allein mit Don in die Berge. Eine kleine Mutprobe, verglichen mit der großen, dem Leben.
In Rückblenden erzählt Rosa nicht nur ihre Geschichte, sondern zudem jene ihrer Eltern. „Eine Geschichte von Menschen, die glaubten, einander gefunden zu haben, sich selbst aber nach und nach verloren.“ Für Rosa eine Geschichte unter vielen ähnlichen. Ihre Nachbarin Mele reibt sich ebenfalls auf in schwierigen Männerbeziehungen. Diese treiben Meles Tochter immer öfter einen Stock höher zu Rosa.
Klug und unaufgeregt erzählt Eva Schmidt von Verlusten, Einsamkeit und Schmerz, von der Sehnsucht nach Nähe und vielleicht sogar Verständnis. Unter Schmidts klarer, präziser Prosa öffnen sich dabei Abgründe, schwelt Unausgesprochenes, Ungelöstes. Das Leben ist eben, wie es ist. Und wie das ganz gut auszuhalten ist, bringt Rosa herrlich lakonisch auf den Punkt: „Ich bin nicht unzufrieden, komme halbwegs mit mir zurecht.“
Eva Schmid
Neben Fremden
Jung und Jung 2025, 192 Seiten
ISBN 978-3-99027-426-2
gebundene Ausgabe: € 24,–
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