Todesnachricht Elisabeth Amann
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Todesnachricht Elisabeth Amann

Todesnachricht Elisabeth Amann

Interview Elisabeth Amann

Vorarlberger Nachrichten, 20.10.2019

Frau Amann, in ihren Büchern beschäftigen sie sich immer wieder mit der eigenen Vergangenheit, der Sie sich schonungslos stellen und in sehr klaren Worten beschreiben. Was hat Sie dazu veranlasst, sich gerade damit literarisch zu beschäftigen?

Ja, ich habe meine Vergangenheit literarisch verarbeitet. Der Grund, das Buch „Frühere Hände“ zu schreiben, war, dass ich diese 26 Ehejahre mit einem alkoholkranken Mann im wahrsten Sinn des Wortes ‚niederschreiben‘ musste, denn andernfalls wäre ich verrückt geworden. Das Niederschreiben war eine der härtesten Therapien für mich, und damit verbunden die Erkenntnis, dass ich plötzlich wusste, nicht nur eine gute Mutter gewesen zu sein, die viele Jahre täglich 18 Stunden ohne Freizeit gearbeitet hatte, die aber auch ihre Kinder nicht mehr wahrgenommen hat.

Wie ist Ihre Familie damit umgegangen?

Ich bat meine damals erwachsenen Kinder, sie dürfen mir alles sagen, was ihnen wehgetan hat. Ich habe mit jedem ‚Kind‘ einzeln das Ungute aufgearbeitet. Mit Tränen, Vorwürfen und Wut. Das hielt ich aus, wie ich wusste, dass sie aus ihrer Sicht Recht hatten. Und bedenken Sie, dass ich mehr als 14 Jahre in verschiedenen Schulen des Landes in Maturaklassen gelesen habe und zu erklären versuchte, was Abhängigkeit, was Sucht bedeutet!

„Dieses bisschen Glück“, 2009 beim renommierten Böhlau-Verlag erschienen, trägt als Untertitel „Stationen einer rastlosen Kindheit und Jugend, 1941-1955“. Es beschreibt ein sehr hartes Leben, emotional wie ökonomisch. Wie haben es die Leser und Leserinnen aufgenommen?

„Dieses bisschen Glück“ ist in der Dokumentationsstelle „Lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ als Band 61 erschienen: „Damit es nicht verlorengeht“.
Die Leser und Leserinnen sind durchwegs dankbar, dass sich eine getraut, die ganze Wahrheit zu sagen. Der Historiker Michael Mooslechner schreibt darüber: „Diese schonungslose Darstellung des Lebens ihrer Familie während der Kriegs- und Nachkriegszeit ist ein wichtiger Beitrag zur Sozialgeschichte des Pongaus.“ (Pongauer Nachrichten, Kultur 31, 10. Oktober 2019)

Sie haben nicht nur Erzählungen und Romane verfasst, sondern auch eine ganze Reihe von Theaterstücken geschrieben. Was war der Anstoß dazu? Welches Stück ist Ihnen das liebste?

 

Meine Theaterstücke wurden von Heilpädagogen der „Zentrumsschule Rankweil“ initiiert, weil  zu Anfang der 1990er-Jahre an dieser Schule Selbstmorde und Suchtverhalten vorkamen. Der damalige Leiter der Suchtprophylaxe, Walter Bösch, sowie Günther Sandholzer, baten mich, für diese Schüler und Schülerinnen ein Theaterstück zu verfassen. Mit Günther Sandholzer, ein Ausnahmeheilpädagoge, schrieb ich in 12 Jahren 9 Theaterstücke. Sandholzer, wie mir, ist das

Stück „Dr. Korzcak“ am wichtigsten: Es handelt vom jüdischen Waisenarzt im Warschauer Ghetto, der im Jahr 1944 freiwillig mit 190 Waisenkindern in die Gaskammer gegangen ist.


Ihr neues Buch wird als ein berührendes literarisches Selbstporträt einer Frau mit einer sehr wechselhaften und spannenden Lebensgeschichte bezeichnet. Worauf bezieht sich der Titel „Überall Brücken und Stege“?

Der Titel „Brücken und Stege“ gilt mir als Synonym für Energie und Lebenskraft, für nicht aufgeben, die Zuversicht nie ganz verliert; denn es finden sich überall „Brücken und Stege“ als Möglichkeit, weiterzukommen. Dieses kleine Werk fasst alle meine Bücher in versöhnender Weise zusammen.