Tobias Thomas March, Polymorpha
Tina Strohmaier liest ‚Polymorpha‘ von Tobias Thomas March
Der Buchrückentext lässt erkennen, mit welcher Rezeptionsästhetik das Buch gelesen werden kann: im Hinblick auf Gender-Ästhetik und im Kontext der Verschmelzung von Tier und Mensch sowie unter Berücksichtigung aktueller zeitgenössischer Einflüsse. Auch der Buchtitel weist auf diese Verschmelzung hin: Diversität und Verschiedenheit.
Das Buchcover ist sehr liebevoll gestaltet und oblag dem Autor. Es ist zeitlos. Die mit Bleistift gezeichneten Bilder des Künstlers Ajkovic schmücken die jeweiligen Abschnitte des Buches aus und fungieren als Symbolbilder.
Es ist interessant, dass das Inhaltsverzeichnis hinten im Buch platziert ist. Davor gibt es ein Nachwort von Petra Ganglbauer über die schriftstellerische Arbeit des Autors. Das Buch ist in gleichgeordnete Tier-Kategorien „vier Zyklen“ eingeteilt, sozusagen eine „kohyponymische“ Gestaltung. Zuerst werden die Säugetiere „Mammalia“ mittels einer Gams als Symbolbild angezeigt. Danach folgt das erste Gedicht über die Feldmaus „Microtus arvalis“. Es ist ein Spiel, das der Autor den Lesenden vorlegt, und Brüche geschehen. Die lateinischen Begriffe liefern prompt die Übersetzung des Tiers, das im nachkommenden Gedicht im weitesten Sinne (literarisch) behandelt wird. Im Großen und Ganzen sind weitere Kohyponyme zu Mammalia: Reptilia, Mollusca und Amphibia.
Gleich fällt auf, dass March sprachlich mixt: Vorarlbergerisch (genauer: Unterland), Wienerisch „goscherl“ und Deutsche Standardsprache. Typographisch hat March die Kleinschreibung gewählt, manche Zeilen sind kursiv gehalten. Die Gedichte sind ungereimt. Der Stil kann als ein suchender, politischer und leicht sexueller beschrieben werden. Tobias March findet hier einen alternativen Stil. Er hält sich kaum an das erwartete Konzept von Personifikationen oder Totemismus in Tier-Mensch-Texten. Onomatopoetisches ist zu finden „krrrr krr“. Nebenbei lernt die lesende Person Fachbegriffe aus dem Bereich der Zoologie: „Epiphragma“, „Byssusfäden“.
Eine Personenreferenz ist erkennbar, eine schreibende Person rezipiert: „mine reaktion“ oder sinngemäß „ich kann nicht schreiben“. Ein Lyrisches Ich beschäftigt sich mit dem Schreiben. Der Ort des Schreibenden könnte am Rhein in Vorarlberg lokalisiert sein: „untertauchen im forschen rhein“. Die Frage ist jedoch, ob die Gedichte einzeln und/oder vorsortiert gelesen oder sogar als Einheit betrachtet werden.
Ein fließender Gedichtzyklus mit Mehrwert. Herzlichen Dank!
Tobias Thomas March
Polymorpha
Gedichte
Edition fabrik.transit Wien, Nov. 2025
ISBN 978-3-903267-90-9
Hardcover, € 18,00-
Coverbild und Illustrationen: Luka Ajkovic
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