kollektiv22, Lastenaufzug ins Blau
19775
post-template-default,single,single-post,postid-19775,single-format-standard,bridge-core-2.8.9,ajax_fade,page_not_loaded,,qode_grid_1200,transparent_content,qode-child-theme-ver-1.0.0,qode-theme-ver-27.3,qode-theme-bridge,qode_header_in_grid,wpb-js-composer js-comp-ver-6.7.0,vc_responsive

kollektiv22, Lastenaufzug ins Blau

kollektiv22, Lastenaufzug ins Blau

Tobias March liest Lastenaufzug ins Blau‘ vom kollektiv22 (Hg.), Beiträge von Ruth Mairvongrasspeinten

Das kollektiv22 (Hg.) hat sich beim Lehrgang Schreibpädagogik des Berufsverbandes Österreichischer Schreibpädagog:innen (BÖS) gefunden und gemeinsam diese Anthologie gestaltet.
Ähnlich eines Wiener Altbauwohnhauses ist die Sammlung von Texten der verschiedenen Autor:innen in Stockwerke gegliedert: Vom Keller in den Erdgeschoss, ins Mezzanin, in den ersten Stock, in den zweiten Stock, ins Dachgeschoss bis ins Blau. Die Texte sind bewusst anonym gehalten, unter keinen Titel stehen Autor:innenname. Gemeinsam sollten die Texte ein großes gemeinsames Werk bilden und wie üblich bei einem Kollektiv, verschwinden die einzelnen Individuen im großen Ganzen. Nur auf der letzten Seite des Buches wird bei der Inhaltsübersicht aufgelöst, wer welchen Text verantwortet.

Bei dieser Rezension wird besonderes Gewicht auf die Texte der Autorin Ruth Mairvongrasspeinten gelegt, die literatur:vorarlberg Mitglied ist.

Auf Seite 45 steht das Gedicht „Mit Poesie III“, das an ein Gedicht von Michael Stavaric angelehnt ist. Die Autorin schreibt davon, dass Poesie keine Gräueltaten wieder gut machen könne: „Würde Poesie die Gräueltaten wieder gut machen, / wäre die schwarze Milch der Frühe schon lange wieder weiß“  … Würde Poesie Gräueltaten wieder gut machen, wäre Masha Amini durch die vielen abgeschnittenen Frauenhaare wieder zum Leben erweckt worden und Schicksalsschläge reihten sich an Menschheitsverbrechen wie alltägliches Kaffeetrinken …

Auf Seite 46 und 47 spielt die Autorin in „Ratatatamm“ mit dem Rattern der Züge und der Philosophie, der Liebe zur Sophie, zur Weisheit. Ein Kinderlied (Summ, summ, summ) wird angestimmt, um gleich wieder weiterzustreifen durch unsere Welt.

Auf Seite 60–61 folgt das Gedicht „Der Bär“. Wir befinden uns schon im ersten Stock und „Dein tiefes Lachen hallt in mir nach / Breitet sich aus und verströmt Sommerwärme“. Durch Wörter wie Honig, sanftwarm, lachen, Sommerwärme, fließen und verströmt werden angenehme Bilder im Kopf der Leser:innen ausgelöst. Diese werden gleich darauf wieder gestoppt. Durch Wörter wie Kälte, Krallen, gefrieren, grob und Furcht wird ein Kontrastpunkt in diesem Gedicht gesetzt. Das Gedicht endet mit der Furcht, nackt im eisigen Winter zurückgelassen zu werden.

Auf Seite 96 stehen „Die Märchen der Stunde“. Mairvongrasspeinten entführt uns in Märchenerzählstunden, die doch von „Adrenalin und Amphetamin“ handeln und davon dem „starr windenden Zyklus der Zeit [zu] entwischen“.

Auf Seite 100 schafft Mairvongrasspeinten in „Majorelika, was nun?“ einen Dialog zu entfachen. Mit mittigen, linksbündigen und rechtsbündigen Ausrichtungen werden Stimmen nachgespürt. „Die Durststrecke wird zum Marathonlauf“ als Antwort darauf: „Das Blatt bleibt leer“.

Der blaue Umschlag mit dem großen K oben drauf lässt die Leser:innen vielleicht gar nicht erahnen, was für ungewöhnliche, literarische Schätze unter dem Buchdeckel versteckt sind. Viele gute Einzelstimmen sind hier zu einem Kollektiv versammelt und einige Texte werden die Leser:innen nachdenklich zurücklassen – ein gutes Zeichen in unserer schnellen Scroll-Welt.

Kollektiv22 (Hg.)
„Lastenaufzug ins Blau“. Anthologie
Edition Fabrik Transit, Wien 2023, 106 Seiten
€ 15,–
ISBN 978-3-903267-59-6

Die auf dieser Webseite veröffentlichten Rezensionen geben ausschließlich die Meinung der jeweiligen Verfasserin bzw. des Verfassers wieder. Für Inhalt, Richtigkeit und Vollständigkeit der Beiträge sind allein die Rezensentinnen und Rezensenten verantwortlich. Literatur Vorarlberg übernimmt keine Haftung für die Inhalte der Rezensionen.